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Vortrag von Prof. Dr. Alberto Melloni während des ersten Karl Graf Spreti Symposiums

Mit wenigen Ausnahmen war die europäische Staatenwelt auch im 19. Jahrhundert monarchisch verfasst. Ja mehr noch: Die monarchische Staatsform wurde sogar in Territorien eingeführt, die sich ehedem republikanisch definierten (etwa in den Niederlanden), und sie entwickelte sich, denkt man an die Installierung europäischer Dynastien in Mexiko oder Brasilien, zeitweise sogar zu einem globalen „Exportartikel“.

Allerdings mussten sich monarchische Idee und Praxis spätestens seit der Französischen Revolution immer auseinandersetzen mit dem Gegenprinzip, mit den Forderungen konstitutionell-parlamentarischer Ordnungs- oder demokratisch-egalitärer Gesellschaftsentwürfe. Diesen Spannungsbogen will das Symposium mit seinen ländervergleichenden Beiträgen zur deutschen und europäischen Staatenwelt ausloten: die traditionellen Elemente der Monarchie, die von manchen als Anachronismus oder gar Provokation empfunden werden konnten, und die gleichzeitigen Möglichkeiten einer Modernisierung aus der Defensive. Die daran anschließenden Fragen nach dem Zusammenspiel dieser Bestimmungsfaktoren, nach politischen Anpassungs- und staatstheoretischen Legitimationsstrategien, Selbstvergewisserungs- und Selbstbehauptungsvorgängen, nach zeitlichen Revolutions- und Restaurationskonjunkturen, nach inneren Widersprüchlichkeiten und nationalspezifischen Strukturunterschieden oder nach Formen und Wegen übernationaler Ideentransfers (etwa der Rezeptionsgeschichte des englischen und französischen Zweikammersystems) zählen nach wie vor zu den zentralen verfassungs- und ideengeschichtlichen Themen des 19. Jahrhunderts.

Damit kombiniert wird ein kultur- und mentalitätshistorischer Blickwinkel. Denn die Untersuchung der Monarchie und ihrer konstitutionellen Herausforderungen bietet Aussagepotentiale und Analysemöglichkeiten, die weit über rechts- oder politikgeschichtliche Probleme hinausgehen. Gemeint sind die zahlreichen Aspekte der Inszenierung und Selbstinszenierung, der medialen Repräsentation und Symbolik, der öffentlichen Wahrnehmung und Wirkung entsprechender konstitutioneller oder monarchischer Instanzen. Das Themenfeld der Tagung zielt also nicht nur auf einen politischen Kernbereich des 19. Jahrhunderts, sondern verweist auch auf dessen Anschlussfähigkeit an neuere kulturhistorische Perspektiven – im Sinne einer „Kulturgeschichte des Politischen“, deren Tragfähigkeit sich letztlich wohl nur an dergleichen handfesten verfassungs- und institutionenhistorischen Sujets wird erweisen können.

Das 2. Karl Graf Spreti Symposium fand – wie schon das erste – in Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern und dem Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität statt.
Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Bernhard Löffler.