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Telegramm, mit dem Karl Graf von Spreti vor 61 Jahren seine Schwiegermutter von seiner erfolgreichen Wahl in den ersten Deutschen Bundestag informiert (14.8.1949).

Zunächst schien nichts im Leben des Karl Graf von Spreti auf eine bewegte Karriere im diplomatischen Dienst hinzuweisen. 1907 in ein altadliges niederbayerisches Geschlecht geboren, studierte er Architektur und ging 1935 zusammen mit dem Regisseur Franz Osten – dem Bruder von Peter Ostermayr, der als Emelka-Gründer die Keimzelle der Geiselgasteigstudios der Bavaria Film schuf –, dem Kameramann Josef Wirsching und dem Laboranten Wilhelm Zolle nach Bombay, um als Filmarchitekt am Aufbau der heute produktivsten Filmindustrie der Welt mitzuwirken – „Bollywood“.
1937 zurückgekehrt, arbeitete er als Architekt in Ulm und Berlin. Als Architekt war er vom Kriegsdienst zumeist freigestellt, tat lediglich 1940 und 1944/45 Dienst in der Wehrmacht und schied im Rang eines Gefreiten aus.
Nach Krieg und Vertreibung begann er seine politische Tätigkeit in der Christlich demokratischen Partei (CDP) in Lindau, die bald zur Christlich Sozialen Union (CSU) wurde. 1949 und erneut 1953 zog er für den Wahlkreis Lindau-Kempten-Sonthofen als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag ein. Dort war er unter anderem Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses für das Luxemburger Abkommen, dem ersten Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Später wurde er Delegierter bei der Beratenden Versammlung des Europarats und Mitglied der Interparlamentarischen Union.
1956 wurde Spreti erster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg (1956–1959). Die weiteren Stationen waren von politischen Verwicklungen gekennzeichnet: In Kuba (1960–1963) vertrat er Deutschland während der Kubakrise und wurde abberufen, als die Insel die DDR völkerrechtlich anerkannte; Jordanien (1963–1965) brach im Mai 1965 die diplomatischen Beziehungen ab, weil die Bundesrepublik Deutschland Beziehungen zu Israel aufnahm. Über die Dominikanische Republik (1966–1967) kam er als Botschafter nach Guatemala, wo er im März 1970 von Rebellen der FARC entführt und wenige Tage später ermordet wurde. Karl Graf von Spreti kann damit als erstes Terroropfer der Bundesrepublik Deutschland gelten.